Der gemalte Lichtblick
Leuchtende Bilder: Die Künstlerin Hedwig Katzenberger aus Eurasburg
Hedwig Katzenbergers Bilder wirken modern und sind doch voller Magie. Vordergründig gesehen haben ihre Arbeiten keinen konkreten Inhalt, keine zu interpretierende Bedeutungsschwere. Es sind sehr stille Lichtbilder. Sie wirken manchmal fast monochrom, so fein in den Farbübergängen, daß Spritztechnik vermutet werden kann. Doch sie sind wirklich gemalt. An den hellen Wänden des Turmateliers im Schloß Eurasburg bekommen die großen Bilder (im Bereich 2 mal 1,5 Meter variierend) und auch die kleineren, oft quadratischen Formate eine mystische Qualität – der Lichtbündelung wegen, die Farbspektren beeinflußt und verwandelt.
Hedwig Katzenberger hat eigentlich einen anderen Beruf. Sie studierte Psychologie (praktizierte nach Promotion und Diplom auch), dazu Philosophie und vergleichende Religionswissenschaften, die Disziplin, die sie „am meisten gefesselt hat“. Dieses geistige Klima hat ihre Bilder stark beeinflußt. Einige ihrer Arbeiten waren im Kunsthaus Orplid in Icking zu sehen gewesen. Zwischen den Exponaten anderer waren sie Kraftfelder der Ruhe. Diese Bilder bestehen aus zwei Ebenen, die nicht kontrastieren, sondern miteinander innig zu tun haben. Die Grundfläche erscheint optisch nur als rahmender Rand. Sie ist aber der eigentliche Lichtträger hinter der großen Binnenfläche. Und das Licht durchflutet das Bild und verwandelt seine Farben. Es sind zumeist unglaublich warme Farbspektren, die Hedwig Katzenberger – langsam lasierend, Schicht für Schicht – mit Acrylfarben in Aquarelltechnik entwickelt, bis ihr Bild, wie von einer inneren Lichtquelle zum Leben erweckt, wirklich zu leuchten beginnt.
Die Malerin arbeitet in ihrem Atelier in ihrem Wohnort Dorfen. Im Eurasburger Domizil stapeln sich die von Lebendigkeit und Wärme geprägten Bilder, aber auch Zeugnisse dunkler Lebensphasen. Dann verwandeln sich die Farbspektren und werden schwer. Sie lassen Moll-Töne assoziieren, bleiben aber in sich immer harmonisch.
Vor 25 Jahren hat die Autodidaktin Hedwig Katzenberger aus einer Umbruchsituation heraus zu ihrer eigenen Bildsprache gefunden. „Was ich ein Leben lang gedacht habe“, erklärt sie lebhaft, „das war plötzlich da in meinen Bildern“. Sie ging spielerisch und intuitiv an die Arbeit heran. Sie vertraute nur sich selbst. „Ich brauchte niemandem etwas zu beweisen.“ Sicher strahlen ihre Bilder deshalb diese souveräne, meditative Ruhe aus, weil es der Malerin (und Psychologin) gelungen ist, ihren Gefühlen, ihren spirituellen Sehnsüchten und Erkenntnissen Form und Farbe zu geben. Die Wirkung von Farben auf die Psyche ist bewiesen. Für Hedwig Katzenberger geht es aber um mehr – um die Antwort auf die Frage: Was ist vor uns gewesen, was wird nach uns sein? „Mit diesen beiden Bildebenen, dem imaginären lichtaussendenden ‚Hintergrund‘ und der Lichttransparenz des Bildes selbst, hatte ich plötzlich meine Kürzel“, sagt sie.
Manchmal fließt das Licht auch über die Binnenfläche hinaus, spielt auf die sichtbaren Rahmenränder der imaginären Hintergrundfläche hinüber. Und mit Imagination haben diese Bilder viel zu tun: „Sie entstehen nicht im Kopf“, meint Hedwig Katzenberger, „sondern ganz intuitiv.“ So werden Raum, Farbe und Licht zu Innenansichten einer „impersonalen Mystik“. Die aus Gold-Grün-Tönen entwickelten Bilder mit fast goldgelben Lichtreflektionen und die aus hellem bis dunklem Indigo entwickelten Nachtstimmungen sollen im Betrachter ähnliche Stimmungen auslösen wie vor ihm in Hedwig Katzenberger.
Ihre Bilder können Ruhe geben, die Stimmung aufhellen, fast nostalgische Gefühle hervorrufen. Scheinbar ist der Bedarf danach groß. Denn die Malerin verkauft in ihren Ausstellungen nicht schlecht. Die Mystik dieser Farbmagie erschließt sich ohne den Beigeschmack der überstrapazierten Esoterik. Hedwig Katzenberger hat nämlich den Mut, sich auf vollkommene Reduktion zu konzentrieren, die alles Schwammige ausschließt und ihre Bilder so modern macht. Die Arbeiten sind auf ihre Weise Ausdruck von menschlichen Gefühlen, von Licht- und Schattenstimmungen. Hedwig Katzenberger versucht, in sphärischen Farbklängen empfindbar zu machen, was der zu ewiger Höchstform im Leben und Beruf gedrängte Mensch verlernt hat, zu sehen und zu hören.
Süddeutsche Zeitung 20.10.1995